2. Liga Tipps - Experten-Prognosen zur 2. Bundesliga
Neururer redet Tacheles zu Schalke 04: „Stimmung droht zu kippen“
Veröffentlicht am 11.10.2023 - 0:11 Uhr
Bild: Peter Neururer blickt auf das abgelaufenen Fußball-Wochenende in Deutschland. (© Wettfreunde)
Peter Neururers Kolumne zum 7. Spieltag der Bundesliga
Und schon liegt auch der 7. Spieltag der Bundesliga hinter uns und entlässt die Fußball-Fans mit einer spannenden Tabellen-Konstellation in die Länderspielpause.
Die Titelfavoriten vor Saison-Start, Bayern und Dortmund, weisen jeweils 17 Punkte auf und liegen damit hinter den alles überragenden Teams der bisherigen Saison: Leverkusen und Stuttgart.
In „Neururers Neue Woche“ bespricht der 68-Jährige die Geschehnisse rund um den 7. Spieltag der Bundesliga.
Neururer über Union-Krise: Umgang damit „überragend gut“
Liebe Wettfreunde,
das Wochenende ist vorbei. Interessante Paarungen haben wir uns ansehen dürfen, eine davon ist für mich persönlich sehr interessant, mit zwei Champions League-Teilnehmern: Dortmund gegen Union Berlin.
Die einen, Borussia Dortmund, nach dem Sieg vor allen Dingen, richtig in der Spur und übrigens immer noch ungeschlagen, obwohl sie schon die gefühlt größte Krise der Vereinsgeschichte hinter sich gebracht haben. Und dann, Union Berlin, siebente Niederlage in Folge.
Die Art und Weise, wie man mit dieser Niederlage oder mit dieser Serie umgeht, finde ich bezeichnenderweise für diesen Verein überragend gut. Sehr, sehr kritisch, aber angemessen. Der Trainer wird nicht durcheinandergebracht, der Trainer macht auf diese Art und Weise, wie er vorher erfolgreich war, weiter.
Das hoffe ich zumindest. Union hat auch in Dortmund ein ordentliches Spiel abgeliefert. Nur im Augenblick sieht es so aus, die Bälle gehen zwar rein, so auch die zwei Tore, die sie gemacht haben. Das war üblich, das konnten sie mitnehmen aus der letzten Saison, auch wenn andere Torschützen da waren. Aber sie kassieren Tore, die eigentlich nicht Union-like waren oder nicht Union-like sind.
Oftmals dann noch in den letzten Minuten, wie zum Beispiel in der Champions League zweimal passiert, gegen Real Madrid und auch gegen Braga. Aber jetzt wird ja die Frage gestellt, zur Ideologie, zur Philosophie des Vereines. Und die ist noch nicht, so habe ich das Gefühl zumindest, ins Wanken geraten.
Ganz im Gegenteil. Man steht zueinander, und ich bin gespannt, wann Union in der Lage ist, dieses Blatt wieder zu wenden. Natürlich, Champions League und ähnliche Plätze sollte man außen vor lassen, aber da wo sie punktemäßig im Augenblick stehen, gehören sie nicht hin.
Neururer über Serhou Guirassy: „Knaller dieser Saison“
Die positive Überraschung bei den Spielen bisher ist für mich ganz eindeutig der VfB Stuttgart. Unglaublich, was dieser Verein, diese Mannschaft leistet. Im letzten Jahr noch eben in der Relegation die Liga gehalten.
Natürlich waren das zwei Spiele, in denen sie eine Klasse gezeigt haben, die sie letztendlich auch in der Liga verbleiben hat lassen. Aber in diesem Jahr ist das eine Entwicklung, mit der keiner rechnen konnte.
Nach einer klaren Niederlage, die man sich eingefangen hat, nachdem man in die Saison gut reingefunden hat, stand man wieder auf und hat einen Sieg nach dem anderen erzielt.
Und der Name, der dabei immer wieder genannt wird, ist der von Guirassy. Was hat der Junge geleistet!? Dreizehn Tore in den ersten sieben Spielen, das hat es so noch nie gegeben. Im Vergleich mit Gerd Müller liegt er besser, im Vergleich mit Lewandowski liegt er besser.
Also zwei Bayern-Spieler, die bisher Geschichte diesbezüglich geschrieben haben, sind abgelöst worden von einem Mann, der seinerzeit beim FC Köln nicht unbedingt für Furore gesorgt hat, und der im ersten Jahr beim VfB Stuttgart, verletzungsbedingt, auch noch nicht so getroffen wird.
Aber im Augenblick ist es egal, was er macht, es passt alles. Die Art und Weise, wie er Fußball spielt, die Art und Weise, wie er die Bälle fordert, die Art und Weise, wo er hingeht, wie er hingeht, Abschlüsse mit links oder rechts, Elfmeter oder Kopfbälle.
All das, was man als Neuner braucht, verkörpert Guirassy im Augenblick. Das ist der Knaller der Anfangsphase dieser Saison.
Jeden Donnerstag – wöchentlich frisch auf den Tisch!
Peter Neururer über Aufsteiger: „Großartig, was sie leisten“
Negative Überraschung natürlich der 1. FC Köln. Auch da muss man sagen, vergleichbar vielleicht irgendwo von der Art und Weise wie man damit umgeht, mit Union Berlin. Der Trainer zieht sein Ding durch, aber er muss feststellen, er hat nicht mehr die Spieler, die er im letzten Jahr hatte.
Die Spieler haben die Verfassung, dass sie viel laufen können, die Spieler haben aber nicht das Selbstbewusstsein. Verständlicherweise. Ein Punkt nach der Anzahl der Spiele ist verdammt wenig. Man ist plötzlich unten im Tabellenkeller angekommen, was nicht dem 1. FC Köln entspricht und vor allem ist es nicht der Verhaltensweise des Trainers entsprechend.
Toll wie das Umfeld, der gesamte Verein – naja, weiß ich nicht unbedingt – aber zumindest die Fan-Gemeinschaft zu diesem Trainer und zu diesem Verein steht, sowieso. Kritik, wenn überhaupt, wird dem sportlichen Direktor, beziehungsweise sportlichen Leiter Keller entgegengebracht.
Ob das berechtigt ist, da halten wir uns mal komplett raus, das kann ich auch nicht beurteilen. Aber enttäuschend ist auf jeden Fall der Tabellenplatz des 1. FC Köln und ich wünsche dem Verein, dass er schnellstmöglich unten rauskommt.
Beide Aufsteiger, Heidenheim und auch Darmstadt, sind gestartet, wie man es eigentlich von den beiden erwartet hat, mit Niederlagen. Mittlerweile stehen sie aber im gesicherten Mittelfeld, wenn man vom Tabellenbild ausgeht, nicht von der Punktzahl her.
Da ist noch niemand gesichert, da ist auch noch keiner abgestiegen und auch keiner Meister geworden. Was sie aber leisten, ist großartig. Sie spielen den Fußball, den sie können, sie spielen den Fußball, der sie auch letztendlich dann zum Aufsteiger gemacht hat.
Sie bleiben ihrer Linie treu und beide haben plötzlich, bedingt durch die Schwäche anderer (Köln, Mainz und weitere) berechtigte Chancen, die Liga zu halten.
Peter Neururer über Schalke: „Unten etabliert“
Am Sonntag war ich auf Schalke. Schalke 04 gegen Hertha BSC hört sich richtig gut an, hört sich an wie ein Erstliga-Spiel, aber es fand im Tabellenkeller der 2. Liga statt.
Und Schalke 04 hat sich vorübergehend fest etabliert im unteren Bereich, der da bedeuten würde, Abstieg oder Relegation. Fürchterlicher geht es kaum noch, die Stimmung droht zu kippen und ist ja bereits in Bezug auf den Trainer gekippt. Der Trainer ist beurlaubt worden, ob zu Recht oder nicht, ich habe mich klar positioniert und sage „Nein“.
Thomas Reis hat großartige Arbeit abgeliefert, leider ohne Erfolg. Diese Erfolglosigkeit geht jetzt weiter, auch ohne Thomas Reis, aber im Umfeld des Vereins rumort es. Es rumort deshalb, weil ein neuer Trainer installiert wird. Ein Mann, der bei Union Saint Gilloise mit Sicherheit erfolgreich ein Jahr gearbeitet hat und vorher Co-Trainer war.
Er hat nicht die größte Erfahrung, aber im letzten Jahr hat er gezeigt, wozu er mit einer guten Mannschaft im Stande ist. Er findet jetzt allerdings keine gute Mannschaft vor, sondern eine Mannschaft, die „aufsteigen musste“, Zitat Vorstand und auch Trainer, sich jetzt aber im Abstiegskampf bewegt.
Also eine komplizierte und sehr schwierige Aufgabe für einen Trainer, der großartige Leistungen möglicherweise vollbringen mag, das hat er gezeigt, aber der der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Das könnte ein Problem werden, denn die Probleme auf Schalke liegen nicht allein im sportlichen Bereich, sondern liegen auch im Bereich der Kommunikation und des untereinander Verstehens. Von daher kann das ein Problem werden.
Ich hoffe für Schalke 04, dass das nicht eintritt. Ich bin gespannt, was der neue CEO macht, der ja auch durch den Aufsichtsrat installiert wurde. Eigenartigerweise kommen beide aus dem gleichen Unternehmen, Trivago.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht mit Peter Knäbel, mit dem Sportdirektor, denn all die, die diese Mannschaft zusammengestellt haben, die sollten sich normalerweise selbst in Frage stellen und nicht immer nur das normale Prozedere zu Rate ziehen, wo es heißt, der Trainer muss weg, der Trainer muss gewechselt werden.
Da sagt die Sportgeschichte bei Schalke 04 ja eigenartige Zahlen aus. Zahlen, die in der Bundesliga kaum mit anderen Vereinen vergleichbar sind.
Alles Gute,
Euer Peter