Ex-Weltmeister Raí im Interview: “Brasilien & Frankreich die zwei stärksten Teams”
Aktualisiert Nov 15
Bild: Raí (Mitte) bejubelt mit Ronaldo (li.) und Cafu (re.) den WM-Titel 1994. (© IMAGO / Buzzi)
Ex-Weltmeister Raí im Interview über die WM 2022, Brasilien & Kylian Mbappe
Raí Souza Vieira de Oliveira, bekannt als Raí, wurde 1994 Weltmeister mit Brasiliens und wurde vor einigen Wochen zum besten Spieler in der Geschichte von Paris Saint Germain gewählt.
Der 51–fache brasilianische Nationalspieler, der nach wie vor einen exzellenten französisch spricht, spielte zwischen 1993 und 1998 in der französischen Hauptstadt. Gerade studiert er in Paris um einen Master zu schaffen und um “den Kopf frei zu kriegen und Erfahrungen zu sammeln”.
Im Gespräch mit Apostagolos, die Wettfreunde das Interview exklusiv zur Verfügung stellen, spricht Raí über sein Brasilien, wer von den PSG-Stars Messi, Neymar und Mbappe derzeit die Nase vorne hat und wie sein Traum-Finale am 18. Dezember aussehen soll.
Raí, was bedeutet in Ihren Augen eine Fußball-Weltmeisterschaft?
Raí: “Es handelt sich um einen Wettbewerb, der jedes Mal in die Geschichte eingeht. Es ist bei jedem Turnier einzigartig, historisch und bereichert durch ganz viele Momente, die das Leben etlicher Menschen für immer noch mehr prägt.
Durch die WM sehe ich immer mehr Nachwirkungen im Bereich der Politik, der Wirtschaft und des sozialen Lebens. Fußball ist ein Phänomen und die WM spielt dabei eine tragende Rolle, sie hat einen gewissen Einfluss auf das tägliche Leben vieler Menschen.”
Sie waren als aktiver Spieler bei Paris Saint Germain ein großer Star. Nun stehen mit Neymar, Lionel Messi und Kylian Mbappé gleich drei aktuelle Stars des amtierenden französischen Meisters im Viertelfinale. Wer ist in Ihren Augen der Stärkere?
“Ich sehe derzeit Kylian Mbappé vorne. Er hat diese Gabe jederzeit den Unterschied machen zu können und er wird auch immer stärker und unberechenbarer. Außerdem hat er noch viele Jahre vor sich, wo er ja etliche Rekorde knacken kann.”
Auch wenn Neymar in den vergangenen Wochen wieder zu seinem besten Niveau gefunden hat?
“Absolut, aber ich habe ebenfalls den Eindruck, dass diese Spieler alles unternommen haben um zum Start dieser WM in bester Verfassung anzukommen. ‘Ney’ hat sich nun von seiner Knöchel-Verletzung aus der ersten Partie gegen Serbien gut und schnell erholt.
Nun sind alle Drei besonders motiviert. Nun bin ich sehr gespannt wer Weltmeister wird.”
Wen sehen Sie nun als absoluten Top-Favoriten?
“Es gibt in diesem Jahr keinen haushohen Favoriten wie etwa Deutschland vor der WM 2014 in Brasilien. Aber ich sehe sowohl Frankreich als auch Brasilien als die Stärksten, mit den besten und ausgeglichensten Kadern.
In der Seleção sehe ich fantastische Einzelkönner wie eben Neymar, Richarlison oder Vinicius Junior, aber in Doha spürt man jederzeit, dass sie alle zusammen wahnsinnig gern spielen und den maximalen Erfolg anstreben.”
Was muss nun geschehen, damit man Weltmeister wird?
“Man sollte als Titelanwärter jederzeit im Kopf haben, dass jedes Detail zählt. Bei der WM 1994 in den USA hatten wir einen enormen Druck von unseren Mitbürgern und bis heute ist er nach wie vor enorm.
Aber wenn ich diese Freude sehe mit der die Brasilianer agieren, dann darf man sich relativ optimistisch zeigen.”
Was wäre Ihr Wunsch-Finale?
“Natürlich Brasilien gegen Frankreich. Wie gesagt: In meinen Augen die zwei stärksten und attraktivsten Teams und es wäre auch ein spezielles Duell durch meinen Weg in meiner Karriere.
Außerdem hat man als Brasilianer nach wie vor die Niederlage beim Finale vom 1998 im Pariser Stade de France nicht vergessen, so dass ein solches Endspiel eine Art Revanche wäre.”
Was halten Sie vom Auftritt von Casemiro in Katar?
“Er ist der Dreh- und Angelpunkt der Seleção, er sorgt für die Balance zwischen Abwehr und Angriff und er ist taktisch wahnsinnig clever.
Er weiß sich stets klug zwischen den Linien zu bewegen um für noch mehr Unruhe beim Gegner zu sorgen.”
Und wie sehen Sie die Entwicklung von Gabriel Martinelli bei dieser Weltmeisterschaft und kann er bald eine tragende Rolle in der Nationalmannschaft sowie beim FC Arsenal spielen?
“Gabriel ist mit Sicherheit auf einem sehr guten Weg. Bei Arsenal hat er sich in den vergangenen Wochen top entwickelt, er ist schon sehr weit in seinem Spiel, er wirkt reif und selbstbewusst.
Klar ist die Konkurrenz in der Seleção sehr groß, aber wenn er so weiter macht, wird er bei der WM 2026 eine noch größere Rolle einnehmen.”
Haben Sie das Gefühl, dass Richarlison durch seine Leistung bisher in Katar zum Welt-Star gerade avanciert?
“Definitiv. Er wird immer konstanter und abgeklärter vor dem gegnerischen Tor. Sein Spiel-Verständnis mit Neymar und Vinicius Junior wird immer klarer, je mehr das Turnier vergeht. Er hinterlässt bisher einen großartigen Eindruck.”
Glauben Sie, dass Kylian Mbappé in der Premier League oder in der spanischen Liga besser aufgehoben wäre, um zum besten Spieler der Welt zu avancieren?
“Ich finde, dass Kylian bei Paris Saint Germain sehr gut aufgehoben ist. Er ist dort der absolute Star und er will unbedingt mit einem Triumph in der Champions League mit seinem Heimatverein noch mehr in die Geschichte eingehen, denn es wäre der erste Titel für Paris in diesem Wettbewerb. Ich bin sehr froh, dass er im letzten Sommer bei PSG verlängert hat.”
Beim Kracher Frankreich gegen England, was für ein Spiel erwarten Sie?
Ich sehe Frankreich in der leichten Favorit-Position, auch wenn es ein enges Duell sein wird. Sollten aber die Franzosen ihr Potenzial ausschöpfen und Kylian erneut eine großartige Leistung zeigen, wovon ich fest ausgehe, wird sich der amtierende Weltmeister am Ende durchsetzen.”
Ist Frankreich also in Ihren Augen der gefährlichste Gegner für die Seleção im Rennen um den sechsten Stern?
“Rein vom Potenzial her, definitiv. Auch Portugal ist beeindruckend mit viel Qualität auf jeder Position.”
Welchen Rat haben Sie für die brasilianischen Nationalspieler, wenn es ab sofort um Alles oder Nichts geht?
“Genießt jeden Moment, spielt weiterhin mit Freude, Leidenschaft und so viel Elan wie im bisherigen Verlauf, dann wird es schon klappen.”
Das Interview wurde geführt von Alexis Menuge.
