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Die Entwicklung von Doping im Spitzensport

Aktualisiert Jul 26

Thomas Haider

Von Thomas Haider

Sportwetten-Experte

Doping gab es schon immer. Holten sich Sportler früher den zusätzlichen Kick mittels Koffein und Alkohol, griffen sie später zu Amphetaminen, Anabolika und Blutdoping. Als Ben Johnson 1988 für den “Doping-Urknall” sorgte, glaubten viele an einen bedauerlichen Einzelfall. Welch ein Irrtum.

 
1997 führte der US-amerikanische Arzt Bob Goldman eine Befragung unter 200 amerikanischen Olympia-Teilnehmern durch. Dabei lautete die erste Frage: “Würdest du leistungssteigernde Mittel nehmen, wenn du dadurch garantiert gewinnst und nicht erwischt wirst?” 98 Prozent der Befragten antworteten mit einem “Ja”.

Die Zusatzfrage lautete: “Würdest du leistungssteigernde Mittel nehmen, wenn du sicher sein könntest, dass du dadurch die nächsten fünf Jahre alle Wettkämpfe gewinnen, dann aber aufgrund des Dopings sterben müsstest?” Immerhin noch 50% antworteten mit “Ja”.

Frei übersetzt heißt das: Ich würde so gut wie alles für den sportlichen Erfolg tun. Und sehr viele würden dafür sogar ihr Leben geben.

Eine fragwürdige Erkenntnis. Die es aber nicht erst seit dieser Befragung in den späten 1990er-Jahren gibt, sondern schon viel früher. Seit jeher haben Menschen immer wieder versucht, ihre körperlichen Fähigkeiten zu verbessern.

 

Doping gab es bereits in der Antike

Seinen Ursprung hat der Begriff Doping im 17. Jahrhundert in Südafrika. Bei Dorffeiern der Einheimischen wurde ein schwerer Schnaps, der so genannte „Dop“, getrunken. Später wurde das Wort als generelle Bezeichnung für Getränke mit stimulierender Wirkung bezeichnet und 1899 fand sich der Begriff „Doping“ erstmals in einem englischen Lexikon – wenn auch nur in Bezug auf Rennpferde.

Sportler haben, so heißt es, allerdings bereits in der Antike begonnen, ihre Leistungen mit allen möglichen Mitteln zu steigern.

Waren es damals und in der Folgezeit beispielsweise Koka-Blätter, Atropin (ein Wirkstoff aus der Alraunwurzel), Stierhoden und sogar Fliegenpilze (aus denen wurde Bufotenin gewonnen, das eine zwölffache Steigerung der Kampfkraft bewirkt haben soll), standen später auch noch die Tollkirsche, Strychnin, Alkohol und sogar Nitroglycerin auf der Beliebtheitsskala ganz weit oben.

Niemand störte sich damals an diesen originellen Varianten der Leistungssteigerung, niemand schämte sich dafür.

Bei den Olympischen Spielen 1904 in St. Louis stärkte sich Marathon-Läufer Thomas Hicks während des Rennens mehrfach – offiziell und ganz ungeniert – mit einem Cocktail aus Brandy und Strychnin und gewann am Ende die Gold-Medaille.

Dieser Vorfall gilt, obwohl damals diese Art der Leistungssteigerung keineswegs verboten war und auch noch nicht gegen Doping vorgegangen wurde, als der erste registrierte „Doping-Fall“ in der Geschichte der Olympischen Spiele.

Es sollten noch viele andere folgen – und nicht nur bei Olympia. Die Methoden wurden im folgenden Jahrhundert immer durchdachter, ausgereifter, organisierter und auch unverschämter und skrupelloser.

 

Die Geschichte des Dopings

 


 

Doping in der DDR – wenn der Staat die Kinder dopt

Obwohl es bereits die ersten toten Sportler aufgrund von Doping gab – so starben 1967 unter anderem der britische Radrennfahrer Tom Simpson (Amphetamine) und der Läufer Dick Howard (Überdosis Heroin) – ging es in den 1970- und 1980er-Jahren in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) mit Doping erst richtig los.

Zwar wurde in der DDR schon davor fleißig gedopt, doch weil ab 1968 bei den Olympischen Spielen in Mexiko erstmals offiziell Dopingtests durchgeführt wurden und kurz darauf auch Anabolika nachgewiesen werden konnte, beschloss die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) im Oktober 1974 die Erschaffung einer zentralen Doping-Organisation.

Die SED hatte durch die optimierten Dopingkontrollen befürchtet, dass das durch den Leistungssport gewonnene internationale Ansehen der DDR durch etwaige Dopingfälle ihrer Sportler beschädigt werden könnte.

Anstatt die Möglichkeit die Doping-Praktiken einzustellen, wurde das Staatsplanthema 14.25 ins Leben gerufen.

Damit wurde der Aufbau eines geheimen und staatlich und zentral organisierten Doping-Systems für den gesamten DDR-Leistungssport bezeichnet. Die Gesamtverantwortung unterlag Manfred Ewald und Sportarzt Manfred Höppner wurde zum Leiter der Arbeitsgruppe “Unterstützende Mittel” ernannt.

 


Video: Rund 1.000 ehemalige DDR-Leistungssportler haben mit den Spätfolgen von übermäßigem Training und Doping zu kämpfen. Für ihren Medaillen-Traum mussten sie letztlich einen hohen Preis bezahlen. (Quelle: YouTube/NDR Doku)

 

Damit wurden alle sportwissenschaftlichen und pharmazeutischen Register gezogen, um “Diplomaten in blauen Trainingsanzügen” generalstabsmäßig zu Weltklasse-Sportler zu trimmen.

Doch das System lief vollkommen aus der Kontrolle. Die Dopingmaschinerie betraf nämlich nicht nur mündige, erwachsene Sportler, sondern auch Kinder. Nach Schätzungen wurden so in den 1970er und 1980er Jahren an die 10.000 Athleten mit männlichen Hormonen hochgezüchtet. (1)

Mädchen aus dem Turnsport mit eigens angefertigten „Wachstumshemmern“ klein und dadurch besonders grazil und beweglich gehalten. Im Gegensatz dazu wurden Jugendlichen im Schwimmen – dank des Anabolikums “Oral-Turinabol” – zu wahren Maschinen hochgezüchtet.

Die Buben und Mädchen bekamen ihre Doping-Rationen immer von ihren Trainern. Gesagt wurde ihnen, dass die bunten Pillen wichtige Vitamine seien – für die verbrauchte Kraft. Eine Lüge.

Die Folgen waren schon damals gravierend: Verstärkte Körperbehaarung, Stoffwechselstörungen, Störungen der Fruchtbarkeit, nicht rückgängig zu machende Stimmvertiefung, Leber-, Herz- und andere Organschäden, Depressionen, ein erhöhtes Krebsrisiko und viele mehr.

Im Jahr 2000 wurden in einem öffentlichen Prozess der ehemalige DDR-Sportchef Manfred Ewald und der Sportarzt Manfred Höppner wegen Beihilfe zur Körperverletzung von Minderjährigen in 142 Fällen verurteilt. Die Strafen: 22 und 18 Monate Haft auf Bewährung. Die Opfer des Zwangsdopings wurden mit Schmerzensgeld entschädigt.


 

Ben Johnson und sein Sieg im „schmutzigsten Rennen der Welt“

Bereits 12 Jahre bevor beim DDR-Prozess sämtliche unappetitlichen Doping-Schandtaten an die Öffentlichkeit kamen, sorgte Ben Johnson bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul für den bis dahin größten Doping-Skandal in der Olympia-Geschichte.

Dieser Fall gilt bis heute als die „Mutter aller Dopingfälle“. Was war passiert?

Ben Johnson und Carl Lewis waren damals zwei der erbittertsten Rivalen der Leichtathletik-Historie und trafen am 24. September 1988 im 100m-Lauf aufeinander. Hier Lewis, der Olympiasieger von 1984, dort Johnson, der amtiertende Weltmeister und Weltrekordhalter.

Johnson stürmte in neuer und unvorstellbarer Rekordzeit von 9,79 Sekunden über die Ziellinie – und holte damit nicht nur die heiß ersehnte Goldmedaille, sondern stellte auch zugleich einen neuen Weltrekord auf.

 

19880924_PD0009 (RM) Ben Johnson Olympia 1988 Seoul RON KUNTZ / AFP / picturedesk.com

Foto: 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul stürmte Ben Johnson (Nummer 159) im 100m-Lauf in 9,79 Sekunden zur Goldmedaille und zum Weltrekord. Zwei Tage später stellte sich heraus: Er war gedopt. Es war ein Doping-Skandal, der die ganze Welt erschütterte. (Credit: RON KUNTZ / AFP / picturedesk.com)

 

Doch der Ruhm hielt nicht lange. Johnson, vor kurzem noch der gefeierte Held, galt zwei Tage später als Betrüger. Im Urin des muskelbepackten Kanadiers wurden Spuren des anabolen Steroids Stanozolol gefunden. Intimfeind Lewis erbte sein Gold.

Johnson stritt zunächst zwar alles ab, und sprach dabei immer wieder von Manipulation.

Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass seine damalige Doping-Probe aus dem Umfeld von Lewis bzw. des US-Verbandes „bearbeitet“ wurde. Johnson, der anfangs alles abstritt, gab später zu, in dieser Zeit gedopt haben, aber er hatte damals rechtzeitig vor den Titelkämpfen die Praktiken eingestellt, um keinesfalls in die Doping-Falle zu tappen.

Außerdem habe er das Mittel, das in seinem Urin nachgewiesen wurde, nie genommen.

„Ich habe sechs Wochen vor Olympia aufgehört, Steroide zu nehmen. Ich würde nicht so blöd sein, so etwas kurz vor einem olympischen Finale zu nehmen. Die Menge Steroide in meinem System hätte einen normalen Menschen umgebracht. Ich wurde positiv auf Stanozolol getestet, aber ich hatte etwas ganz anderes genommen“, erzählte Johnson im Gespräch mit Richard Moore, Autor des Buches „The Dirtiest Race in History“. (2)

 


Video: Der Dopingfall von Ben Johnson erschütterte 1988 die Sportwelt. 25 Jahre später sprach der einstige Held über den schlimmsten Tag seiner Karriere. (Quelle: YouTube/GenerationYouTubing)

 

Dieses Geständnis machte die Sache nicht unbedingt besser, aber sie zeigte ganz klar, welchen Einfluss Doping im Sport bereits hatte.

Die Ironie dieser ganzen Skandal-Geschichte: Auch Lewis hat diese Goldmedaille nicht verdient gehabt, wie sich Jahre später herausstellte.

Lewis hätte bei den Olympischen Spielen 1988 eigentlich nicht einmal dabei sein dürfen, da er im Vorfeld der Spiele in den USA bei verbandsinternen „Routine-Kontrollen“ gleich auf drei verbotene Substanzen positiv getestet wurde. Der US-Verband vertuschte die Sache allerdings.

Da insgesamt sieben der acht Finalisten dieses 100m-Laufes irgendwann mindestens einmal positiv getestet wurden, gilt dies bis heute als das „schmutzigste Rennen der Geschichte.“

Ein Rennen bei dem der Sport seine Unschuld verlor. Seitdem war nichts mehr wie es einmal war. Auf einmal wurde begonnen, jede Höchstleistung – allen voran in der Leichtathletik – zumindest vorsichtig in Frage zu stellen.


 

Der Festina-Skandal 1998 – die Geburtsstunde „Tour de Farce“

Zehn Jahre später wurde die Sportwelt noch ein weiteres Mal in ihren Grundfesten erschüttert. Diesmal aber nicht von Leichtathleten, sondern von Radprofis.

Es war das Jahr 1998. Richard Virenque, Franzose und der Star der Mannschaft Festina, sollte als Sieganwärter in diese Tour starten, die diesmal in Dublin begann.

Willy Voet, Masseur des Team Festina und Virenques engster Vertrauter, war drei Tage vor dem Tour-Start in einem offiziellen Mannschaftsfahrzeug auf dem Weg zu nach Irland, als er an der belgisch-französischen Grenze zufällig angehalten wurde – und damit einen der größten Doping-Skandale der Frankreich-Rundfahrt und sogar der Sportgeschichte auslöste.

Im Wagen fanden die Beamten mehr als 500 verbotene Präparate – darunter Wachstumshormone, Testosteron und über 400 Ampullen EPO. Es war eine neue Dimension des Dopings.

Was folgte, hatte mehr mit einem Kriminalfall als mit dem größten Radrennen der Welt zu tun.

Festina-Profis und Fahrer anderer Mannschaften wurden nachts aus ihren Hotelzimmern geholt und zu Doping-Proben im Krankenhaus gezwungen. Einige Fahrer mussten die Nächte zwecks Verhören zwischen den Etappen sogar im Gefängnis verbringen.

Nach mehrtägigen Polizei-Verhören knickte Festina-Teamchef Bruno Roussel schließlich doch ein und gestand, dass in seiner Mannschaft unter ärztlicher Aufsicht systematisch gedopt wird und alle im Team Bescheid wussten.

 


Video: 1998 gab es das erste “Doping-Beben” bei der Tour de France. Frankreichs damaliger Topstar Richard Virenque und sein Team Festina wurden von der Tour ausgeschlossen. (Quelle: YouTube/Ina Sport)

 

Am Abend des 16. Juli, nach der 5. Etappe, wurde die komplette Festina-Mannschaft von der Tour ausgeschlossen. Aufgrund der rigorosen Verhörmethoden beendeten auch die Mannschaften von Banesto, Once und Riso Scotti vorzeitig diese Frankreich-Rundfahrt.

Das übrig gebliebene Peloton zeigte auf der 17. Etappe solidarisch und unterstrichen ihren Protest durch einen zeitweiligen Sitzstreik auf der Straße.

Federführend dabei war der zu diesem Zeitpunkt in Führung liegende Marco Pantani, der die Skandal-Tour am Ende nicht nur gewann, sondern knapp ein Jahr später beim Giro d’Italia 1999 wegen EPO-Dopings ausgeschlossen wird und 2004 an einer Überdosis Kokain starb.

Trotz des Schocks über den „Fall Ben Johnson“ war es aber erst der Festina-Skandal, der das Doping-Problem im Sport der breiten Öffentlichkeit erstmals so richtig bewusst machte.

Bis dahin wurden Doping-Fälle eigentlich immer als „Einzelfall“ betrachtet und wahrgenommen. Doch erst bei der Festina-Affäre zeigte sich, wie ganze Netzwerke mitsamt teils mafia-ähnlicher Strukturen im Hintergrund arbeiten.

Plötzlich geisterten auch einschlägige Begriffe wie Wachstumshormone, Testosteron, EPO – die bestenfalls Mediziner kannten – durch die Sportberichterstattung. Und viele fragten sich damals: Was ist das alles eigentlich und wie funktioniert das?

 

Die meistverwendeten Doping-Substanzen und ihre Wirkungen

Stimulanzien
In der Anfangszeit des Dopings waren Amphetamine bei Sportlern sehr beliebt. Dazu zählen unter anderem Koffein, Kokain, Captagon und auch Ephedrin.

Die während des Zweiten Weltkriegs entwickelten Aufputschmittel, wie eben Captagon, erhöhen die Herzfrequenz, unterdrücken Ermüdungsgefühle, schärfen die Sinne und pumpen zusätzlich Blut in die Muskeln.

Was zunächst Soldaten verwendeten, machten sich später reihenweise Sportler häufig in Ausdauersportarten zu Nutze. Aber auch in anderen Sportarten wie etwa im Fußball werden sie verwendet, da sie Hemmungen abbauen und die Aggressivität steigern.

Anabolika
Als Anabolika werden in der Regel anabole Steroide beschrieben. Die über 50 Substanzen, die aus dem Sexualhormon Testosteron abgeleitet sind, haben eine Muskel aufbauende (“anabole”) Wirkung – das bedeutet: Die Masse wächst, gleichzeitig wird der Abbau der Muskelzellen gebremst.

Anabole Steroide sind demnach interessant für Sportarten, bei denen die Muskelmasse ausschlaggebend ist, wie etwa in der Leichtathletik, Gewichtheben und Bodybuilding.
Bekannte Anabolika-Präparate sind unter anderem Dianabol, Nandrolon, Metenolon und Stanozolol.

Clenbuterol
Eingesetzt wird usprünglich zur Behandlung von Asthma eingesetzt, aber auch in der Kälber- und Schweinemast eingesetzt. Der Grund: Es unterxtützt den Muskelaufbau und lässt Körperfett schneller verbrennen.

Wachstumshormone
Das menschliche Wachstumshormon (HGH – Human Growth Hormone), das natürlicherweise in der Hirnanhangdrüse produziert, sind für die Regulierung wichtiger Stoffwechselvorgänge im Körper essentiell: Sie regulieren u. a. das Wachstum und den Kohlehydratstoffwechsel.

Sportler erhoffen sich durch das Hormon Leistungsgewinne, weil der Eiweißaufbau in den Muskeln angekurbelt wird (anabole Wirkung). Seit 1985 können sie gentechnisch hergestellt werden.

Wachstumshormone allein bewirken angeblich eine Beschleunigung von vier bis fünf Prozent. In Kombination mit Testosteron soll es die Wirkung sogar auf unglaubliche acht Prozent katapultieren. Im 100m-Lauf brächte das also vier bis acht Zehntelsekunden. Dies kann am Ender der Unterschied zwischen einem verpassten Finaleinzug und Weltrekord bedeuten.

EPO
Eigentlich ist Erythropoetin (EPO) ein Hormon, das als Wachstumsfaktor für die Bildung roter Blutkörperchen während der Blutbildung von Bedeutung ist. Als Therapeutikum wird künstlich hergestelltes Erythropoetin vorwiegend bei der Behandlung der Blutarmut von Dialysepatienten eingesetzt.

Da durch die Verwendung von EPO dem menschlichen Blutkreislauf mehr rote Blutkörperchen zur Verfügung stehen, wird der gesamte menschliche Körper leistungsfähiger, weil den Zellen entsprechend mehr Sauerstoff zur Verfügung steht.

Aus diesem Grund fand EPO in den späten 1980er-Jahren den Weg in den Sport und wurde dabei zweckentfremdet eingesetzt – vor allem im Radsport, später in der Leichtathletik und im Wintersport sowie auch im Fußball.

Mit EPO wurde auf einmal auch der Begriff „Hämatokritwert“ populär. Hämatokrit bezeichnet den Anteil der Erythrozyten (rote Blutkörperchen) am Gesamtvolumen des Blutes und liegt bei einem Mann bei durchschnittlich 47 Prozent. Bei der Tour de France kamen Fahrer in den 1990er-Jahren sogar auf einen Hämatokritwert von fast 60 Prozent – begünstigt durch die Zufuhr von EPO.

Blutdoping
Durch den Nachweis von künstlichem EPO stiegen viele Sportler auf Blutdoping um. Das ist eine Methode zur künstlichen Erhöhung der Hämoglobinkonzentration im Blut durch die Transfusion von Blutkonserven, die erhöhte Konzentrationen von roten Blutkörperchen enthalten. (3)

Bei der Eigenbluttransfusion lässt sich der Sportler etwa einen Liter Blut abnehmen. In einer Zentrifuge werden die roten Blutkörperchen von den restlichen Blutbestandteilen, die dem Spender umgehend wieder in den Blutkreislauf zurückgeführt werden, abgetrennt. Das abgenommene Blut wird anschließend konserviert und tiefgekühlt gelagert.

Nach vier bis sechs Wochen bzw. kurz vor dem Wettkampf wird das gelagerte Blut wieder per Infusion dem Körper zurückgeführt. Durch die erhöhte Anzahl an roten Blutkörperchen wird im Körper mehr Sauerstoff transportiert, sodass eine höhere Ausdauer-Leistung vollbracht werden kann.


 

Die „EPO-kalypse“ im (Rad-)Sport

Glaubten viele, mit dem Festina-Beben wäre das Thema Doping im Sport und im speziellen im Radsport überstanden und auch beseitigt, wurden sie in den folgenden Jahren gnadenlos eines Besseren belehrt. Denn jetzt ging es eigentlich erst richtig los.

Im Nachhinein betrachtet war der Festina-Skandal nur der Anfang einer gigantischen „EPO-kalypse“, die bereits seit den frühen 1990er-Jahren über den Sport hereingebrochen ist und dabei besonders den Radsport fest im Griff hatte.

 

 

EPO galt in den 1990er-Jahren als die „Wunderdroge“: Sie machte schneller, leistungsfähiger und – das war fast das Wichtigste – sie konnte nicht entdeckt werden. Da die Wirkung von EPO-Doping anfangs gar nicht nachgewiesen werden konnte (erst seit dem Jahr 2000), waren der EPO-Verwendung in den 1990er-Jahren Tür und Tor geöffnet.

Die ganzen Ausmaße dieser „Doping-Katastrophe“ kamen jedoch erst viel später ans Tageslicht. Es zeigte sich, dass die ekelhaften Blutpanschereien in gewissen Sportarten an der Tagesordnung standen und für viele Sportler genauso dazugehörten wie Essen, Trinken, Trainieren und Schlafen.

Besonders deutlich wurde dies in den Jahren 2006 und 2007.

Im Mai 2006 wurde der spanische Mediziner Eufemiano Fuentes im Zuge einer Doping-Razzia namens „Operation Puerto“ verhaftet.

Bei der Durchsuchung seiner Wohnungen fand die Polizei über 200 tiefgefrorene Blut- und Plasmaproben sowie große Mengen an Medikamenten. Darüber hinaus wurden Medikationspläne und Bestandslisten, die mit Namen und Codenamen versehen waren, beschlagnahmt.

Es soll sich um das größte Doping-Netzwerk der Sportgeschichte handeln.

 


Foto: Doping-Guru Eufemiano Fuentes sorgte für einen der größten Dopingskandale aller Zeiten. Behandlungen bei ihm kosteten mindestens 30.000 Euro pro Jahr. Das war der Preis für die “Grundausstattung”. (Credit: Andres Kudacki / AP / picturedesk.com)

 

Einen Tag vor Beginn der Tour de France 2006 erreichte der Skandal seinen ersten Höhepunkt als die Namen jener 58 Radprofis, die bei Fuentes in Behandlung gewesen sind, veröffentlicht wurden – etwa jene von Radsport-Größen wie Jan Ullrich, Ivan Basso und Alejandro Valverde.

Da es in Spanien zu diesem Zeitpunkt kein Anti-Doping-Gesetz gab, hatte Fuentes zunächst nur einer Anklage wegen „Schädigung der öffentlichen Gesundheit“, also einem Verstoß gegen das Gesundheitsgesetz, zu rechnen. Der Vorwurf: Er soll seine Blutbeutel unhygienisch gelagert haben.

2013, der Prozess zog sich über sieben Jahre und wurde zwischendurch immer wieder eingestellt, wurde Fuentes zu einem Jahr Haftstrafe und vier Jahre Berufsverbot als Sportmediziner verurteilt.

Wem die anderen 150 Blutbeutel gehörten, wurde jedoch nie geklärt. Auf richterlichen Beschluss wurden gleich zu Beginn der Ermittlungen Auswertungen von Computerdaten gegen andere Sportarten nicht zugelassen. Angeblich gehörten auch Athleten aus Sportarten wie etwa Fußball, Tennis, Handball und Leichtathletik zum Fuentes-Kundenstamm, wie der Doping-Guru immer wieder selbst erzählte.

Schon kurz nach seiner Verhaftung im Mai 2006 hatte der Mediziner durchblicken lassen, dass sich die Affäre weit über den Radsport hinaus erstrecke.

Im Gefängnis soll er laut seinen kurzzeitigen Zellengenossen damit geprahlt haben, dass Spanien “vielleicht weder den EM- noch den WM-Titel” im Fußball hätte, wenn er auspacke. Öffentlich wollte dies Fuentes nicht bestätigen. Zu mächtig sei der Fußball.

Laut einem Bericht der französischen Zeitung Le Monde sollten auch die spanischen Fußball-Klubs Real Madrid, der FC Barcelona sowie der FC Valencia und Betis Sevilla die Dienste von Fuentes in Anspruch genommen haben. (4)

 


Video: In einem der größten Doping-Skandale der Sportgeschichte räumte der spanische Arzt Eufemiano Fuentes ein, neben Radprofis auch andere Sportler wie etwa Fußballer und Leichtathleten betreut zu haben. (Quelle: YouTube/spiegeltv)

 

Des weiteren erklärte Inaki Badiola, seines Zeichens von 2008 bis 2009 Präsident von Real Sociedad, in einem Interview mit der spanischen Zeitung AS, dass der Verein in den Jahren 2001 bis 2008 leistungssteigernde Mittel bekommen habe – und zwar von Fuentes. (5)

Präsdient von Real Sociedad war in dieser Zeit Jose Luis Astiazaran. Fuentes und Astiazaran kennen sich seit den 1980er-Jahren, als Astiazaran das Radsportteam Orbea als Anwalt vertrat und Fuentes das Team als Arzt betreute.

Nur ein Beispiel, welches Ausmaß der Fuentes-Skandal mittlerweile genommen hat und alle bisherigen Doping-Skandale in den Schatten stellte – und er hat noch immer eine Dimension, die bis heute unklar ist.

Herausfinden wird man das wohl alles jedoch nicht mehr, da eine Richterin im Zuge des Prozesses anordnete, dass alle Blutbeutel zerstört werden müssen, um die Persönlichkeitsrechte der Sportler zu wahren.

Zu Schaden kamen am Ende letztlich aber „nur“ ein paar Dutzend Radprofis. Viele wurden jahrelang gesperrt, andere haben ihre sportliche Karriere beendet.

Wie etwa Deutschlands Rad-Liebling Jan Ullrich, bis dahin als Volksheld in einer Liga mit Boris Becker, Franz Beckenbauer und Michael Schumacher, sollte nie in den Profisport zurückkehren. Er beendete 2007 seine Karriere. Zu seiner Doping-Vergangenheit äußerte er sich immer nur recht halbherzig.

Die Aufdeckung des Fuentes-Netzwerkes löste in den folgenden Monaten einen regelrechten Tsunami an Geständnissen aus. Radprofis jeder Kategorie, ob erfolgreich oder chronisch erfolglos, fühlten sich bemüßigt an den öffentlichen Beichtstuhl zu treten. Vor allem in Deutschland.

 

Doping im Team Telekom

Auslöser dieser Flut an Offenbarungen war im Frühjahr 2007 der Belgier Jef d’Hont, der von 1992 bis 1996 für das Team Telekom als Masseur arbeitete. Er warf der Mannschaft in einem Interview mit dem Spiegel organisiertes Doping mit EPO und Wachstumshormonen vor. (6)

Damit hatte das Thema über systematisches Doping, obwohl es in der Vergangenheit immer wieder einzelne Fälle gab (wie etwa jenen der Leichtathletin Katrin Krabbe 1992), nun auch Deutschland erreicht – und zwar mit voller Wucht.

Schließlich war von einem Doping-Netzwerk in der Freiburger Uni-Klinik die Rede, in der das Team Telekom bzw. später das Team T-Mobile betreut wurden.

Als erster Telekom-Fahrer gestand Bert Dietz, dass er damals auf Empfehlung der Mannschaftsärzte EPO genommen hatte. Einen Tag später erzählte Christian Henn, dass er von 1995 bis 1999 mit EPO gedopt hatte.

Danach legten auch Erik Zabel und Rolf Aldag tränenreiche Geständnisse ab. Zabel sagte damals vielsagend: „Ich habe gedopt, weil es ging.“ (7)

 


Video: Im Frühjahr 2007 schwappte eine Flut an Doping-Geständnissen ehemaliger Team Telekom-Fahrer über Deutschland – darunter auch von Erik Zabel und Rolf Aldag. (Quelle: YouTube/Steve Barnes)

 

Als insgesamt siebenter Profi der damaligen Telekom-Equipe outete sich letztendlich auch noch Bjarne Riis als Doping-Sünder. Der Däne, in Anlehnung an seinen Hämatokritwert mit dem Spitznamen “Mister 60 Prozent” versehen, hatte 1996 die Tour de France gewonnen.

„Mein Trikot liegt zu Hause im Pappkarton in der Garage. Wenn ihr es holen wollt, bitte sehr”, sagte er damals auf die Frage, ob er die Aberkennung des Titels für den Tour-Sieg befürchte.

Nach Riis packte auch Jörg Jaksche aus.

Der Deutsche war jahrelang Kunde von Fuentes, war auch in Rennställen aktiv, in denen Riis als sportlicher Leiter fungierte und fuhr in den Jahren 1999 und 2000 für das Team Telekom. Er hat 1997 – als Teil eines verbreiteten Systems – mit der Einnahme von EPO begonnen und sich ab 2005 als Kunde von Fuentes verbotenen Eigenbluttherapien unterzogen. (8)

In diesen Wochen der Wahrheit des Frühjahrs 2007 offenbarte sich mit einem Schlag die ganze Realität über den desaströsen Zustand des Radsport: Doping war seit den 1990er-Jahren gang und gäbe. Es war mittlerweile flächendeckend verbreitet.


 

Lance Armstrong, der König der Doper

Nur einer kam zu dieser Zeit immer wieder ungeschoren davon: Lance Armstrong.

Der amerikanische Superman, der zuerst den Krebs besiegte und anschließend von 1999 bis 2005 sieben Mal in Folge die Tour de France gewann, konnte immer wieder allen möglichen Vorwürfen und Gerüchten geschickt ausweichen.

Bis zum 10. Oktober 2012. An diesem Tag veröffentlichte die amerikanische Anti-Doping-Agentur (USADA) ihren Bericht zu den Dopingpraktiken von Lance Armstrong. (9)

Das opulente Dossier, das sich über 200 Seiten erstreckt, dokumentiert einen der größten Doping-Skandale in der Geschichte des Sports – wenn nicht sogar den größten: Armstrong habe das “höchstentwickelte, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm, das die Sportwelt jemals gesehen hat”, betrieben.

Nur aufgrund des massiven Einsatzes von Dopingmitteln, so heißt es, wurde er zum Rekordsieger der Tour de France.

 


Video: Von 1999 bis 2005 gewann Lance Armstrong sieben Mal in Folge die Tour de France. Doch am Ende war alles nur Lüge und Betrug. (Quelle: YouTube/RockyBalboa010)

 

Mehr als ein Dutzend ehemaliger Weggefährten (darunter auch Floyd Landis und Tyler Hamilton, die diesen Fall erst ins Rollen brachten) bestätigten unter Eid, dass Armstrong von Beginn bis zum Ende seiner Karriere zu Doping gegriffen habe: Kortison, Wachstumshormone, Testosteron, EPO, Blutdoping – das ganze Buffet stand zur Verfügung.

Außerdem soll Armstrong seine Mannschaftskollegen zum Doping nicht nur aufgefordert, sondern auch genötigt haben. Dieser Bericht belegt zudem, wie Armstrong seine Doping-Praktiken immer wieder perfektionierte. Armstrong war so versessen aufs Gewinnen, dass er auch im Dopen der Beste wurde.

Blutbeutel wurden während der Tour per Motorrad zum Mannschaftsbus gebracht, EPO-Ampullen, die zuvor per Codename “Edgar” über ein Prepaid-Handy bestellt wurden, lagen im Kühlschrank in Butter-Dosen aufbewahrt und da die Kontrollen mit der Zeit immer intensiver wurden, hatte sich Armstrong immer öfter bei Teamkollegen in der Wohnung versteckt.

Doping sei “im Denken von Lance ein Bestandteil des Lebens, wie Sauerstoff oder die Schwerkraft” gewesen, schrieb Tyler Hamilton in seinem Buch “The Secret Race”.

 


Video: Tyler Hamilton fuhr jahrelang mit Lance Armstrong in einem Team, danach brachte er mit seinen Aussagen das Denkmal Lance Armstrong zum Einstürzen. (Quelle: YouTube/Wahrheit789)

 

Bei diesen dubiosen Machenschaften hat Armstrong, der 2001 mit Hilfe des Radsportweltverbandes UCI sogar einen positiven Doping-Test auf EPO verschwinden lassen konnte, aber nicht allein gehandelt, sondern auch “eine kleine Armee an Gehilfen mit Dopingärzten und Schmugglern” um sich geschart.

Wie etwa seinen Leibarzt Michele Ferrari. „Dottore EPO“, wie der Italiener in der Branche genannt wurde, galt als der Denker und Lenker in Armstrongs umfangreichen Doping-Netzwerk. (10)

Von 1996 bis 2006 überwies Armstrong in elf Tranchen insgesamt mehr als eine Million US-Dollar auf ein Schweizer Bankkonto von Ferrari – jährlich zwischen 75.000 bis 110.000 Dollar – und sicherte sich damit eine Art „Exklusiv-Betreuung“.

Am Ende hat Armstrong, obwohl ihm all seine sieben Tour-Siege aberkannt wurden, dennoch eine neue Bestmarke aufgestellt – wenn auch eine etwas fragwürdige: Er gilt nun als der größte Betrüger der Sportgeschichte.

Nach all den Horror-Geschichten um Festina, Fuentes und Armstrong stellten sich viele eine Frage: War dieser massive Doping-Auswuchs in den 1990er- und in den ersten „Nuller-Jahren“ nur eine Sache des Radsports und andere Sportarten in diesem Zeitraum sauber? Nein, im Gegenteil.


 

Doping im Fußball – die unbequeme Wahrheit

Die Mode-Droge EPO war nicht nur bei den „Helden der Landstraße“ heiß begehrt, sondern auch in der beliebtesten Sportart der Welt – im Fußball. Das ist nicht erst seit den lockeren Plauderein von Fuentes bekannt.

Auch wenn – vor allem in Deutschland – immer wieder mit fadenscheinigen Argumenten erklärt wird, dass Doping im Fußball „überhaupt nichts bringen würde“, die Realität sieht wohl anders aus.

Zwar hat (Blut-)doping in Sportarten, wie Schimmen, Radsport und Leichtathletik, wo es hauptsächlich auf die Physis ankommt, einen weitaus größeren Einfluss, da die hier Ausdauer die einzige entscheidende Komponente ist, aber mit chemischer Manipulation lassen sich auch viele wichtigen Leistungsfaktoren im Fußball – beispielsweise Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit – steigern.

Nicht gerade unwesentlich, da sich das Spiel mit dem runden Leder in den letzten Jahren zunehmend zum Ausdauersport entwickelte, in dem Kondition und Schnelligkeit immer wichtiger wurden und werden. Hat beispielsweise ein Spieler mehr Kraft und Kondition, ist er kurz vor dem Schlusspfiff wesentlich frischer als sein Gegenspieler und kann demnach früher am Ball sein.

 


Video: Die Vorwürfe, dass auch im Fußball fleißig gedopt wird gibt es immer wieder – so auch in dieser Dokumentation. Bei Juventus Turin wurde Doping in den 90er-Jahren sogar offiziell bewiesen. (Quelle: YouTube/KennyBrockelsteen)

 

Ende der neunziger Jahre rannten Fußballer gemäß einer dänischen Studie acht Prozent einer Spielzeit volles Tempo, heute tun sie das schon doppelt so lange. Früher liefen Fußballer in einem Spiel an die fünf Kilometer, heute mehr als doppelt so viel.

Und selbst auf die spielerischen Qualitäten eines Spielers kann Doping positive Auswirkungen haben. Ein Spieler kann den entscheidenden Pass in der Schlussphase weitaus sauberer und damit genauer schlagen, wenn er nicht schon nach 75 Minuten ausgelaugt über den Platz schleicht.

Toni Schumacher erwähnte Doping im Fußball bereits in den 1980er-Jahren. In seinem aufsehenerregenden Buch “Anpfiff” hatte der damalige Nationaltorhüter geschrieben: “Auch in der Fußballwelt gibt es Doping – natürlich totgeschwiegen, klammheimlich, ein Tabu.” (11)

Zudem beschreibt Schumacher zum Beispiel die Vorgänge beim DFB während der Weltmeisterschaft 1986 Mexiko. So mussten die Spieler „haufenweise Tabletten“ und „Hormönchen“ schlucken und bekamen Vitamine und Kälberblutextrakte gespritzt.

Dazu erwähnte er, dass unter den Kickern vor allem die Stimulanzien Captagon und Ephedrin beliebt waren, und: „In der Bundesliga hat Doping seit langem Tradition.“

Zwanzig Jahre danach, dürfte sich Schumacher bestätigt fühlen.

Die Evaluierungskommission Sportmedizin Freiburg, die die Doping-Vergangenheit der Uni-Klinik Freiburg aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Radteam Team Telekom untersuchte, hat im Frühjahr 2015 in ihrem Bericht veröffentlicht, dass es systematisches Anabolika-Doping im deutschen Profifußball in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren gegeben hat – unter anderem beim SC Freiburg und beim VfB Stuttgart. (12)

Zu dieser Zeit spielte unter anderem Bundestrainer Joachim Löw sowohl in Freiburg (1978 bis 1980) als auch beim VfB (1980 bis 1981).

 


Video: Auch der Fußball hat ein Doping-Problem. Das bestätigt die Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit der Universität Freiburg. (Quelle: YouTube/SWR)

 

Doch statt die Vergangenheit aufzuarbeiten, wurde von allen Seiten fleißig dementiert und auf Einzelfälle, wie jenem von Diego Maradona bei der WM 1994 (positiv auf Ephedrin), verwiesen. Dabei gab es ein paar Jahre davor sogar einen Prozess, der Doping im Fußball offiziell bestätigt – jenen gegen Juventus Turin.

Verhandelt wurde damals der Vorwurf von systematischem Blutdopings durch Verabreichen von EPO an zahlreiche Spieler zwischen 1994 und 1998. In diesem Zeitraum gewann Juve unter anderem drei Meistertitel und die Champions League.

Im November 2004 wurde Juventus-Teamarzt Riccardo Agricola wegen Sportbetrugs durch EPO-Doping und Verabreichung gesundheitsschädlicher Medikamente zu einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Das bedeutet: Die Mannschaft der 90er-Jahre war gedopt und die Gegner betrogen.

Auslöser dieses Prozesses, in Zuge dessen auf dem Juve-Trainingsgelände eine Art “Vereins-Apotheke” mit über 280 veschiedenen Medikamenten sichergestellt wurde, waren Dopingvorwürfe von Zdenek Zeman 1998 an Juventus-Spielern, insbesondere Superstar Alessandro del Piero, „unnatürliche Muskelzuwächse“ unterstellt hatte.

 

20050130_PD0562 (RM) Alessandro del Piero CARLO BARONCINI / AFP / picturedesk.com

Foto: Alessandro del Piero wurden Mitte der 1990er-Jahre „unnatürliche Muskelzuwächse“ unterstellt, wodurch es zu einem Doping-Prozesse gegen seinen Klub Juventus Turin kam. Am Ende stellte sich heraus: Bei Juve wurde in den 90ern fleißig gedopt. (Credit: CARLO BARONCINI / AFP / picturedesk.com)

 

Aber nicht nur Del Piero stand unter Doping-Verdacht, sondern auch viele andere Spieler, die in diesem Zeitraum bei Juventus unter Vertrag standen, gerieten auf einmal in den Fokus: Wie etwa Antonio Conte, Ciro Ferrara, Filippo Inzaghi, Gianluca Vialli, Zinedine Zidane, Didier Deschamps oder Edgar Davids.

Letzterer tappte 2001 auch offiziell in die Doping-Falle – ihm wurde Nandrolon nachgewiesen.

Insgesamt fielen Anfang der 2000er über ein Dutzend Fußballspieler durch Doping mit anabolen Steroiden auf. Fast alle waren Nationalspieler – neben Davids waren dies beispielsweise noch Jaap Stam, Frank de Boer, Fernando Couto, Christophe Dugarry und Pep Guardiola.

Auffallend ist jedoch: Die Sperren fallen im Gegensatz zu den Sportarten wie Radsport oder Leichtathletik sehr milde aus. Auch die Anzahl der Doping-Tests hinkt im Fußball weit hinter jenen im Radsport oder der Leichtathletik hinterher.

Laut offiziellem Jahresbericht 2015 von Deutschlands Nationaler Anti-Doping-Agentur (NADA) gab es in den deutschen Profiligen im gesamten Kalenderjahr 663 Dopingkontrollen nach Spielende, davon 71 Bluttests (Rest Urinproben). Hinzu kamen 484 (45 Bluttests) Trainingskontrollen. (13)

 

Dopingproben in Deutschland im Jahr 2015 laut Jahresbericht der NADA:

 

Sportart Proben Training Proben Wettkampf
Fußball (DFB) 0 784
Fußball (Liga) 484 663
Basketball 117 80
Handball 175 309
Eishockey 458 120
Radsport 547 606
Leichtathletik 1857 597

Erstaunlich: Laut dem 2015er-Bericht der NADA wurde kein einziges Mal bei DFB-Lehrgängen der A-Nationalmannschaften kontrolliert. Die deutschen Fußball-Nationalspieler mussten also – im Gegensatz zu allen anderen Spitzensportlern in Deutschland – vor ihren Wettkämpfen keine Kontrollen befürchten.

In Spaniens Fußball gab es von März 2016 bis März 2017 überhaupt keine Doping-Kontrollen. Ein Freibrief für Spieler und Vereine. Der Grund für dieses “Kontroll-Vakuum”: Querelen um die Regierungsbildung, verhinderten die Verabschiedung von Gesetzen, die Neuerungen des WADA-Codes in die Statuten des Landes implementiert hätten. UEFA und FIFA standen nicht helfend zur Seite.

Dass negative Dopingproben nicht unbedingt bedeuten müssen, dass Sportler auch immer sauber sind, das zeigte sich bereits im Radsport – wie etwa bei Lance Armstrong.

Das dürfte zudem auch noch eine Studie bestätigen. Laut dieser Studie, die Ex-Fußballprofi Lotfi El Bousidi in seiner Diplomarbeit im Fach BWL an der Fernuniversität Hagen veröffentlicht hat, soll Doping im Fußball weit verbreitet sein.

Insgesamt 150 Fußballprofis aus Deutschland, Schweden und Spanien hat El Bousidi zum Thema Doping befragt, 124 von ihnen haben den Fragebogen beantwortet. Das Ergebnis: Zwischen 14,0 und 29,8 Prozent waren im Jahr der Befragung gedopt. (14)

Zudem gaben 43,4 Prozent der befragten Fußballer gaben an, im Jahr 2014 kein einziges Mal auf Doping kontrolliert worden zu sein. Weitere 50 Prozent wurden nur ein Mal getestet.

Auch wenn der Fußball bei weitem keine heile Welt in Sachen Doping ist, wie es sich viele versuchten einzureden, geht es in anderen Sportarten bedeutend „wilder” zu.


 

Der Doping-Sumpf in der Leichtathletik und im Wintersport

So etwa zum Beispiel im Langlauf und in der Leichtathletik.

Bei der Nordischen Ski-WM 2001 in Lahti wurden sechs finnischen Langläufern die Einnahme des verbotenen Blutplasma-Expanders HES nachgewiesen – darunter auch Olympiasieger und Weltmeister Mika Myllylä, der erst 2009 gestand. Allerdings wollten sich die Finnen damals nicht wirklich mit HES schneller machen, sondern damit nur den Konsum des Blutdopingmittels EPO kaschieren.

„Der Fall hat schlimmere Auswirkungen für den Sport als der von Ben Johnson 1988 in Seoul“, erklärte das schwedische IOC-Mitglied Arne Ljungqvist damals, „was mich schockiert, ist die Tatsache, dass in Finnland sämtliche Ärzte und Trainer in das Vergehen verwickelt sind. (15)

Bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City wurde dem für Spanien startenden Langläufer Johann Mühlegg die EPO-Einnahme nachgewiesen und der Gewinn seiner drei Goldmedaillen aberkannt.

 


Video: Aufstieg und Fall von Langläufer Johann Mühlegg, der 2002 bei den Olympischen Spielen des EPO-Dopings überführt wurde. (Quelle: YouTube/ai.pictures Deutsche)

 

Während derselben Spiele wurden die beiden russischen Langläuferinnen Olga Danilowa (Gold in der Verfolgung über 15 km) und Larissa Lasutina (Gold über 30 km, dazu 2x Silber in der Verfolgung über 15 km und 10 km) ebenfalls des EPO-Dopings überführt.

Bis zum Jahr 2015 folgten im Langlauf und Biathlon noch zahlreiche Doping-Fälle aufgrund von EPO. Das ist viel, aber verhältnismäßig noch immer recht wenig im Vergleich zur Leichtathletik.

Den ersten juristisch verwertbaren EPO-Dopingfall in der Geschichte der Leichtathletik betraf Roberto Barbi. Der italienische Marathonläufer wurde 2001 im Vorfeld der WM positiv getestet.

In Folgezeit wurden bis 2009 über 30 weitere Leichtathleten, sowohl männliche als auch weibliche, wegen EPO-Dopings aus dem Verkehr gezogen. Darunter befanden sich Olympiasieger (Alvin Harrison – 1996 4x400m Staffel), Weltmeister (Jerome Young – 400m) und auch Weltrekordhalter (Brahim Boulami – 2002 über 300m Hindernislauf).

Der Doping-Sumpf in der Leichtathletik ist aber noch um einiges tiefer und schmutziger – wie Enthüllungen aus dem Jahr 2015 zeigen.

Journalisten von ARD und Sunday Times haben eine Liste mit 12.000 Bluttests von 5000 Läufern von den unterschiedlichsten Disziplinen aus den Jahren 2001 bis 2012 ausgewertet. Es ist der größte Datensatz mit Blutwerten von Spitzensportlern, der jemals nach außen gelangte. (16)

  • Bei fast jedem siebten Athleten in den Listen finden sich Werte, die in den allermeisten Fällen nicht natürlich zu erklären sind. Bei manchen Nationen ist fast die Hälfte der Athleten auffällig.
  • Über 800 Sportler haben Blutwerte aufgewiesen, “die sehr stark auf Doping hindeuten oder zumindest abnormal sind”.
  • Ein Drittel der Medaillen, die bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften im Ausdauerbereich vergeben wurde, wurde von Sportlern mit verdächtigen Werten gewonnen. Dabei geht es um insgesamt 146 Medaillen, darunter 55 Goldmedaillen.
  • 80 Prozent der russischen Medaillen im Mittel- und Langstreckenlauf wurden von verdächtigen Athleten gewonnen. Verdächtige kenianische Sportler gewannen 18 Mal Edelmetall.

Jedoch wurde in der Leichtathletik in den verschiedensten Disziplinen, vom 100m-Sprint bis zum Diskuswerfen, nicht nur vogelwild gedopt, sondern noch viel dreister betrogen: Es wurden sogar positive Dopingproben vertuscht.

Führende Vertreter des Weltleichtathletikverbandes IAAF haben laut einem Bericht von Le Monde und der ARD extrem auffällige Blutwerte aus dem Jahr 2011 und auch aus folgenden Jahren von mindestens sechs Spitzensportlern bewusst ignoriert – gegen Zahlungen von jeweils 300.000 bis 700.000 Euro.

Das bedeutet: Positiv geteste Sportler konnten sich somit ihre Startplätze bei Wettkämpfen “zurückkaufen”. Das offenbart eine ganz neue Dimension des (Doping-)Betrugs. (17)

Epizentrum dieses Skandals ist Russland.


 

Doping und Korruption – so macht(e) Russland seine Sieger

Die Ende 2014 ausgestrahlten ARD-Dokumentation “Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht” liefert stichfeste Beweise für flächendeckendes Doping und ein von Trainern und Verbandsfunktionären getragenes, korruptes Betrugssystem in Russland.

Dabei berichtet die frühere Weltklasseläuferin Julija Stepanowa (geborene Rusanowa, die bei der Hallen-EM 2011 über 800m Silber gewann) und ihr Ehemann Witali Stepanow, der drei Jahre bei der Anti-Doping-Agentur Russlands (RUSADA) angestellt war, von den üblen Doping-Machenschaften Russlands.

So wurden etwa durch Bestechung und Korruption Dopingtests manipuliert. Zudem wird berichtet, dass russische Athleten vor der Abreise zu internationalen Wettkämpfen eine Dopingkontrolle ablegen müssen, damit überprüft werden kann, ob sie internationale Dopingtests bestehen würden – und nur wer in diesem Moment sauber ist, darf die Reise antreten.

Eine Schlüsselfigur in diesem Doping-System war Sergej Portugalov. Der umstrittene Mediziner, der eigentlich eine Anti-Doping-Taskforce für den Leichtathletik-Weltverband aufbauen sollte, kümmerte sich fürsorglich um seine Athleten.

„Du musst wahrscheinlich zur Dopingkontrolle, denn du wirst ja unter den ersten drei sein oder sogar gewinnen. Dann gehst du ganz ruhig dahin, so wie alle anderen auch. Nach der Kontrolle bekommst du ein rosa Formular mit der Nummer deiner Probe. Schick mir die Nummer per SMS – und dann kannst du ruhig schlafen.“ So erzählte es Stepanowa in der Dokumentation “Geheimsache Doping”.

 


Video: In der ARD-Doku “Geheimsache Doping” wird gezeigt, wie die sportlichen Erfolge Russlands zustandekommen – mit Doping und Korruption. (Quelle: YouTube/Khalid 10)

 

Zwar hat die RUSADA (Russlands Anti-Doping-Agentur) im Jahr 2013 laut ihrem Jahresbericht insgesamt 23.110 Dopingtests durchgeführt – und kein Land testete öfter als Russland – allerdings waren lediglich 2,2 Prozent der Proben positiv.

Kein Wunder, erinntert sich Stepanowa in der brisanten ARD-Doku. Denn nur wenn es ein unbekannter Sportler gewesen sei, „war der Test positiv. Aber wenn es jemand Berühmtes oder eine junge Medaillenhoffnung war, dann war es ein Fehler. Dann wurde er nicht gemeldet.“

Diese russischen Machenschaften, die Doping staatlich finanzieren, fördern und vertuschen erinnern frappant an jene der DDR aus den 1970er- und 1980er-Jahren – nur womöglich noch um einiges dreister, unverschämter und krimineller. Und sie betrafen nicht nur den Sommersport und im speziellen die Leichtathletik, sondern auch den Wintersport.

Russland hat bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 – wo sie nur die meisten Medaillen (33) insgesamt, sondern mit die meisten Goldmedaillen (13) gewonnen haben – ein Verschleierungssystem benutzt, um positive Dopingproben seiner Athleten verschwinden zu lassen. Das geht aus einem veröffentlichten Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hervor. (18)

Sonderermittler Richard McLaren stellte fest, dass das systematische Dopingprogramm “in allen Sportarten” nach den Winterspielen 2010 in Vancouver installiert worden und bis mindestens 2015 fortgesetzt worden sei.

Dadurch sollen während den Olympischen Wettkämpfen in Sotschi über 100 Tests manipuliert worden sein – darunter auch die Proben von zahlreichen Aushängeschildern des russischen Wintersports. Mindestens 15 russische Medaillengewinner seien dadurch in Sotschi nicht aufgeflogen.

„Während die Menschen die Olympiasieger feierten, waren wir damit beschäftigt, ihren Urin auszutauschen“, erinnert sich Grigori Rodschenkow, der zu diesem Zeitpunkt der Direktor des russischen Anti-Doping-Labors war.

Er habe für die Winterspiele 2014 einen Cocktail mit drei verbotenen Substanzen entwickelt – mit Methenolon, Trenbolon und Oxandrolon. Dieser Mix wurde stets in Verbindung mit Alkohol verabreicht: „Es gab Whiskey für die Männer und Martini für die Frauen. Wir waren so gut vorbereitet wie nie zuvor.“

Außerdem sollen auch Dopingproben von der Leichtathletik-WM 2013 in Moskau, wo Russland die meisten Sieger stellte, und der Schwimm-WM 2015 in Kasan manipuliert worden sein.

 

20170313_PD2326 (RM) Doping Sotschi FABRICE COFFRINI / AFP / picturedesk.com

Foto: Richard McLaren, Sonderermittler der Welt-Antidoping-Agentur WADA erklärte bei der Präsentation seines Berichtes, wie Russland bei den Olympsichen Spielen 2014 die Dopingproben manipuliert – durch ein Loch in der Wand wurden die Proben ausgetauscht. (Credit: FABRICE COFFRINI / AFP / picturedesk.com)

 

Zusammenfassend lässt sich nach dem McLaren-Bericht festhalten: Im gesamten russischen Sport werde flächendeckend und sportartenübergreifend mit verbotenen Substanzen gearbeitet. Seit wann, das kann nur vermutet werden.

Erstmals nahm Russland (damals noch als Sowjetunion) bei den Olympischen Sommerspielen 1952 in Helsinki teil – und räumte dabei gleich voll ab: Am Ende baumelten insgesamt 72 Medaillen um den Hals der siegreichen Damen und Herren.

Im ewigen Medaillenspiegel der Olympischen Spiele nimmt Russland hinter den USA den zweiten Platz ein. Die Russen holten bei den Wettkämpfen im Zeichen der fünf Ringe bislang in Summe 1907 Medaillen (725x Gold, 597x Silber, 585x Bronze).

Es hätten weitaus mehr sein können, aber insgesamt 26 Medaillen wurden Russland wegen positiver Dopingfälle wieder annuliert – und damit so viele wie keiner anderen Nation. (19)

So gab es beispielsweise bei Nachkontrollen von den Olympischen Spielen 2008 insgesamt 14 positive Fälle aus Russland, zehn davon betrafen Medaillengewinner. Eine davon war Anna Tschitscherowa, Hochsprung-Olympiasiegerin von 2012, die 2008 Bronze gewann.

Bei Nachuntersuchungen der Olympischen Spiele 2012 erwischte es unter anderem die Kugelstoßerin Jewgenija Kolodko. Ihr wurde die Verwendung des einstigen DDR-Präparates “Oral-Turinabol” und des Wachstumshormons Impamorelin nachgewiesen.

Als sei das alles nicht schon genug, tappte im Jänner 2016 auch noch die schillerndste russische Sportlerin in die Doping-Falle: Maria Scharapowa. Der Tennisspielerin, dazu zu dieser Zeit auch noch bestverdienende Sportlerin der Welt, wurde das Mittel Meldonium zum Verhängnis.

 


Video: Der Doping-Fall von Maria Scharapowa – ihr wurde im Jänner 2016 das Präparat Meldonium zum Verhängnis. (Quelle: YouTube/ WatchMojo.com)

 

Meldonium werden wahre Wunderdinge nachgesagt: Die Durchblutung wird gesteigert, ebenso die physische und psychische Belastungsfähigkeit. Laut eigenen Angaben nahm Scharapowa das Mittel bereits seit über zehn Jahren, aber erst seit Anfang Jänner 2016 steht es auf der Dopingliste.

Warum nimmt eine volkommen gesunde Spitzensportlerin eigentlich ein Jahrzehnt lang ein Mittel, das üblicherweise bei Herzkrankheiten eingesetzt wird?Gute Frage, keine Antwort.

Scharapowa war in Russland beileibe kein Einzelfall, denn Meldonium gehörte in den letzten Jahren zur “Standard-Medizin” im russischen Leistungssport. Allein bei den Europaspielen in Baku im Juni 2015 wurde bei 490 Aktiven das (damals noch legale) Mittel nachgewiesen.

Viele russische Athleten wurden in den ersten Wochen des Jahres 2016 positiv auf Meldonium getestet – sie kamen aus vielen verschiedenen Sportarten: Eiskunstlauf, Eisschnelllauf, Short-Track, Radsport, Judo, Gewichtheben, Rugby, und auch Biathlon.

Die Konsequenzen aus dem besorgniserregenden WADA-Bericht, den zahlreichen nachträglichen positiven Doping-Proben und dem mysteriösen Fall Scharapowa: Russlands Leichtathletik-Mannschaft durfte nicht an den Olympischen Spielen 2016 in Rio teilnehmen.

 

Eine kleine Aufzählung von Dopingfällen aus anderen Sportarten:

Dabei ist bei der schier endlosen Anzahl an russischen Doping-Vergehen jedoch der Fairness halber festzuhalten, dass Doping allein kein russisches Problem ist, und auch kein amerikanisches, deutsches, spanisches oder chinesisches, sondern mittlerweile ein weltweites. Und es betrifft auch nicht nur ein vereinzelte Sportarten, wie den Radsport, die Leichtathletik oder auch den Fußball, sondern es sind im Prinzip fast alle Sportarten von Doping betroffen.

Baseball: Im Zuge der 2005 aufgedeckten BALCO-Affäre wurde behauptet, der US-Amerikaner Barry Bonds habe sich jahrelang mit Wachstumshormonen, THG, Insulin und Testosteron gedopt. Am 5. August 2013 wurde Superstar Alex Rodriguez wegen Dopings für 211 Spiele, bis zum Ende der Saison 2014, gesperrt. Rodríguez fasste aufgrund seiner Doping-Vorgeschichte mit Steroiden die höchste Strafe aus.

Basketball: Joakim Noah, Sohn von Ex-Tennisstar Yannik Noah und tätig in der NBA bei den New York Knicks, wurde 2017 die Einnahme von LGD-4033 nachgewiesen. Dabei handelt es sich um eine neue Klasse von androgenrezeptorbindenden Substanzen, die in ihrer Wirkung anabolen Steroiden ähnlen. Seine Sperre: 20 Spiele. Der Puerto-Ricaner Mickey Coll wurde 1972 positiv auf Ephedrin getestet.

Bob: Der Österreicher Gerhard Rainer war 1994 positiv auf Metandienon. Im Jänner 2002 gab es mit Ludmilla Enquist (Schweden) und Sandis Prusis (Lettland) und dem US-Amerikaner Paul Jovanovic gleich drei Dopingfälle binnen kürzester Zeit. Alle drei wegen Steroiden.

Eishockey: Dem Schweden Ulf Nilsson wurde 1974 Ephedrin nachgewiesen – er war zugleich der erste Dopingfall in der Geschichte der Eishockey-WM.Beim Österreicher Siegfried Haberl wurde 1989 ein erhöhter Testosteron-Wert festgestellt. Der Kanadier Grant Fuhr wurde 1990 positiv auf Kokain getestet. Bei Joel Savage war im November 1999 ein Dopingtest positiv auf Pseudoephedrin. Dem Russen Ilja Solarjow wurde 2013 Salbutamol nachgewiesen.

Fechten: Doppel-Olympiasiegerin Laura Flessel aus Frankreich wurde 2002 positiv auf Einnahme des verbotenen Stimulanziums Koramin Glukose getestet. 2008 wurde Florett-Vizeweltmeister Andrea Baldini positiv auf das Diuretika-Mittel Furosemid getestet worden, welches andere Dopingmittel verschleiern kann.

Gewichtheben: Allein aus Kasachstan gibt es seit 2012 über 30 Dopingfälle. Auch Athleten aus Weißrussland, Aserbaidschan und der Ukraine wurden schon positiv getestet.

Golf: 2013 hat sich der ehemalige Weltranglsiten-Erste Vijay Singh mit dem “Deer Antler Spray“ gedopt, der Wachstumshormone aus Geweihen von neuseeländischem Wild enthält. Das Spray enthält ein anaboles Hormon, das Muskelwachstum stimuliert. Bis dahin war Doug Barron der einzige Dopingfall im Golf. Ihm wurde damals die Einnahme des Beta-Blockers Propranolol vorgeworfen.

Handball: Von Mai 2006 bis Mai 2008 wurde gegen den Serben Darko Stanic eine Dopingsperre wegen eines positiven Kokaintests verhängt.

Kajak: Sergei Tarnowtschi aus Moldawien, der bei den Olympischen Spielen 2016 im Canadier-Einer über 1000m die Bronze-Medaille gewann, wurde kurz darauf auf das Wachstumshormon Pralmorelin getestet.

Reitsport: Im Mai 2009 hat der Kanadier Ross C. Siddall unter Mithilfe eines Tierarztes seinem Pferd Jojos Image das EPO-Präparat Aranesp (Darbepoetin) verabreicht.

Ringen: 2015 wurde Achmed Dudarov positiv auf Oxilofrin getestet und für ein Jahr gesperrt.

Rudern: Bei der Dopingkontrolle im Vorfeld der Olympsichen Spiele 2012 wurde die Brasilianierin Kissya da Costa positiv auf Epo getestet und vom Weltruderverband im November 2012 für zwei Jahre gesperrt. Bei einer weiteren Dopingprobe am 28. Mai 2015 in Rio de Janeiro wurde sie positiv auf das Mittel Furosemid getestet und in der Folge vier Jahre gesperrt.

Schießen: Beim nordkoreanischen Pistolenschützen und zweifachen Medaillengewinner Kim Jong-Su wurde bei Nachtests der Olympia-Proben von 2008 der verbotene Betablocker Propranolol festgestellt.

Speerwurf: Der ägyptische Vizeweltmeister Ihab Abdelrahman wurde 2006 mit erhöhten Testosteron-Werten erwischt.

Squash: Der Franzose Stephane Galifi wurde bei der Mannschafts-WM 2011 bei einer Dopingprobe positiv auf Tetrahydrocannabinol getestest.

Schwimmen: Sun Yang, der chinesische Doppel-Olympiasieger 2012, wurde im Mai 2014 positiv auf das verbotene Stimulans Trimetadizin getestet. Bei der Chinesin Li Zhesi war im März 2012 ein Dopingtest positiv auf EPO und sie wurde für zwei Jahre gesperrt. Dem Franzosen Federick Bousquet wurde 2012 das Stimulanzmittel Heptaminol zum Verhängnis. Beim Griechen Ioannis Drymonakos wurde Anfang März 2008 bei einer Trainingsdopingkontrolle das Steroid Trenbolon nachgewiesen.

Tennis: Karel Novacek, Mats Wilander (beide 1995), Martina Hingis (2007), Richard Gasquet (2009) wurden allesamt positiv auf Kokain getestet. 2003 fand man beim Briten Greg Rusedski Nandrolon. 2013 wurde der Kroate Marin Cilic positiv auf das Stimulans Nikethamid getestet.

 

Die wilde Dopingspirale – vom Koka-Blatt zum Staatsdoping…

Die Entwicklung von Doping hat in den letzten Jahrzehnten enorme und wohl niemals vermutete Ausmaße angenommen.

Sportler haben zwar seit jeher versucht, ihre Leistungen mithilfe von unterschiedlichsten Substanzen zu steigern – früher mit Koka-Blättern, Fliegenpilzen und auch Alkohol – aber im letzten Jahrhundert wurden die Methoden mithilfe der Medizin immer ausgereifter und auch aufwendiger.

Die Doping-Spirale begann, sich immer schneller zu drehen.

Es entstanden im Laufe der letzten Jahrzehnte ganze Doping-Netzwerke, die entweder von einem gewieften Mediziner (Fuentes), einem einzelnen Sportler (Armstrong) oder gar von einem ganzen Staat (DDR, Russland) organisiert wurden – und wo teilweise sogar mit den jeweiligen Sportverbänden eng kooperiert wurde.

Deshalb stellt sich nach all den Doping-Fällen von den 1970er-Jahren bis heute – von Johnson über Fuentes bis hin zu den Enthüllungen über russisches Staats-Doping – am Ende nur eine besorgte Frage: Gibt es überhaupt noch sauberen Sport?

 


Quellen:

  1. http://www.planet-wissen.de/gesellschaft/sport/doping_gefaehrliche_mittel/pwiedopinginderddr100.html
  2. http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/doping/ben-johnson-das-dreckigste-rennen-12585412.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Blutdoping
  4. http://www.sueddeutsche.de/sport/doping-im-fussball-barcelona-und-real-im-zwielicht-1.309887
  5. http://www.zeit.de/2013/45/doping-eigenblut-spanien-sport-fuentes/komplettansicht
  6. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-51373546.html
  7. http://www.spiegel.de/sport/sonst/team-telekom-zabel-und-aldag-doping-beichte-unter-traenen-a-484738.html
  8. http://www.spiegel.de/sport/sonst/jaksche-beichte-nur-wer-dopt-gewinnt-a-492216.html
  9. http://www.spiegel.de/sport/sonst/fall-lance-armstrong-das-steht-in-dem-anti-doping-bericht-der-usada-a-860690.html
  10. https://www.welt.de/sport/article109940088/Den-Epo-Guru-traf-Armstrong-heimlich-im-Camper.html
  11. http://www.sueddeutsche.de/sport/enthuellungen-um-mediziner-kluemper-der-fussball-weiss-was-doping-ist-1.2375597
  12. http://www.handelsblatt.com/sport-fussball-beteuert-unschuld-nach-dopingbericht/11449394.html
  13. https://www.nada.de/de/service-infos/jahresberichte/
  14. http://www.zeit.de/sport/2016-07/doping-fussball-deutschland
  15. http://www.faz.net/aktuell/sport/doping-langlauf-wm-gedopte-finnen-beschuldigen-andere-nationen-115657.html
  16. http://www.spiegel.de/sport/sonst/doping-leichtathletik-stars-wiesen-verdaechtige-blutwerte-auf-a-1046425.html
  17. https://www.tagesschau.de/ausland/leichtathletik-doping-105.html
  18. https://www.welt.de/sport/wintersport/article155307757/Arzt-offenbart-schockierendes-Doping-System-in-Russland.html
  19. http://www.zeit.de/sport/2016-08/doping-medaillen-olympia